01. Apr 2004
Wir beten, dass in Afrika die Vielfalt der Geistesgaben durch enge Zusammenarbeit der missionierenden Orden und der Ortskirchen genützt werde.
Erdrückende Mutterliebe
Die Bevölkerung Esmeraldas, einer Provinz im Nordwesten Ekuadors, unterscheidet sich in ihrem Aussehen bis heute stark vom Rest der Bevölkerung. Im 16. Jh. war eine Handvoll afrikanischer Sklaven an der Küste Ekuadors gestrandet. Durch den Untergang ihres Schiffes hatten die Frauen und Männer unversehens wieder ihre Freiheit erlangt, eine Freiheit, die sie - abgeschieden vom übrigen Land - im Urwald Esmeraldas aufnahmen.
Bis vor 40 Jahren war die Provinz nur per Boot über das Meer zu erreichen. Die Kirche unter dieser afroekuadorianischen Bevölkerung wird seit 60 Jahren von den Comboni-Missionaren und -Missionsschwestern betreut. Alles in dieser Provinz, was mit unserem westlichen Verständnis von "Zivilisation" zusammenhängt, führt sich auf diese Missionstätigkeit zurück: Schulen, Spital, eine Zeitung, eine Radiostation, eine Universität, Vereine und Genossenschaften. Wenigstens bis in die 80er Jahre war es so. Auch das Personal der Kirche: Der Bischof, die Pfarrer, die Schwestern waren alles CombonianerInnen.
In den letzten 20 Jahren hat sich dieses Bild geändert: Die Combonianer können mit dem Wachstum nicht mehr Schritt halten, es braucht andere Mitarbeiter. Auf der anderen Seite gibt es auch schon einen lokalen Klerus - die Combonianer haben Berufswerbung vor allem für das Vikariat betrieben, eine sehr weise und kirchliche Entscheidung.
In einem Symposium anlässlich der Heiligsprechung der "drei Heiligen für die Mission" - Comboni, Janssen und Freinademetz - im Oktober 2003 sprach Bischof Arellano von Esmeraldas über die Probleme, denen er sich ausgesetzt sieht, wenn es darum geht, die Kirche Esmeraldas aus den wohlmeinenden und sicheren Armen einer internationalen Missionsgesellschaft zu entlassen, sie auf ihre eigenen Beine zu stellen. Die Jahrzehnte der Abhängigkeit und des sich in jeder Hinsicht (Personal, Finanzen, Ideen, Vorgehensweisen) Verlassenkönnens auf die Combonianer haben zweifellos Traditionen entstehen lassen. Jetzt kann von den Christen nicht erwartet werden, dass sie in nur 20 Jahren ihre Verantwortung in der Kirche übernehmen.
Was gewöhnlich jedes Kind schmerzhaft erfährt, trifft vor allem auch auf die junge Kirche zu: Beide müssen lernen, sich aus den sicheren Armen der Mutter zu befreien. Wie jedes Kind wird auch die junge Kirche dabei das eine oder andere Mal auf die Nase fallen, das aber dann in eigener Verantwortung. Nur so wird sie allmählich das Gehen lernen.
Afrika
Die Kirchen Afrikas südlich der Sahara sind alle noch relativ jung. Dennoch haben sie in dieser Zeit schon eine ungeheure eigene Dynamik entwickelt. Bekannt sind die erstaunlichen Zahlen, das großartige Wachstum, aber auch die vielen Schwierigkeiten, die mit dieser Dynamik zusammenhängen. Die Bischofssynode für Afrika 1994 hat einige dieser Probleme aufgezählt. Viele hängen damit zusammen, dass die institutionelle Kirche auf Weltebene offenbar nicht bereit ist, andere Gemeinschafts- und Frömmigkeitsformen im Christentum zuzulassen (cf. die Frage der Ahnenverehrung, die Idee der Kirche als Familie, die Ritenfrage). Elochukwu Uzukwu beklagt sich in einem Artikel in Spiritus (Nr. 171, 2003), dass von den 583 lebenden Sprachen in Nigeria nur ganz wenige von der katholischen Kirche als "würdig" angesehen werden, um in ihnen mit Gott zu reden. Es verwundert daher nicht, dass viele Christen sich außerhalb der katholischen Kirche versammeln; - z. B. die "unabhängigen Kirchen" in Afrika verzeichnen das größte Wachstum, sicher auch, weil sie frei sind von mütterlicher Fürsorge.
Die Missionskongregationen
Europäische Missionsgemeinschaften haben unglaubliche Opfer auf sich genommen, um die Kirchen Afrikas in Gang zu bringen. Die ersten Steyler Missionare, die nach Togo gegangen sind, überlebten dort meist nur zwei oder drei Jahre, bevor sie einer der vielen Tropenkrankheiten zum Opfer fielen. Und trotzdem hat das kaum einen von seinem Missionseifer zurückgehalten. Diese Kongregationen waren die Vorläufer und Wegbereiter vieler Eigenheiten der westlichen Zivilisation. Das betraf alle Lebensbereiche. So haben z.B. das Erziehungssystem ebenso wie das Gesundheitswesen oder das religiöse und kulturelle Leben in Afrika große Veränderungen erlebt. Viele waren durchaus sehr begrüßenswert und positiv, andere hingegen hatten äußerst tragische Folgen.
Mit der Entwicklung der zunehmenden Eigenständigkeit der Lokalkirchen Afrikas sind die Missionskongregationen vor neue Aufgaben gestellt. In praktisch allen Ländern Afrikas existiert die (katholische) Kirche, hat die "Einpflanzung" der Kirche längst stattgefunden. Jetzt geht es um ihr Wachstum. Ein eindeutiges Zeichen des Wachsens und Reifens ist die Missionstätigkeit. (Die Kirche ist "ihrem Wesen nach missionarisch", hat es im Konzil geheißen: Ad Gentes 2). Tatsächlich gibt es inzwischen auch schon ein gutes Dutzend Missionsorden afrikanischen Ursprungs, die in verschiedenen anderen Kontinenten arbeiten.
Zusammenarbeit
Die Zusammenarbeit zwischen Ortskirche und Missionskongregationen hat verschiedene Richtungen und Bereiche. Für die Missionskongregationen ist es relativ leicht gewesen, Afrikanerinnen und Afrikaner in ihre eigene Dynamik einzugliedern: Wenn schon jemand beispielsweise aus Nigeria in Paris seinem Doktorat nachgeht, warum sollte er oder sie dann nicht in dieser Zeit in einem Ausbildungshaus mitarbeiten? Und warum sollte er oder sie nicht nachher noch ein paar Jahre in der gleichen Arbeit weiter verbleiben, wo man ihn oder sie schon kennt? Die Steyler Missionare haben einige ihrer afrikanischen Mitglieder nach Lateinamerika, in die USA und nach Europa geschickt, um sie dort ihre missionarische Berufung leben zu lassen. Für viele Kongregationen ist es nach wie vor klar, dass man den Provinzen und Kirchen in Afrika helfen muss, und sie tun das auch großzügig: Ausbildung, Personal, Finanzen. Andere Hilfsorganisationen und Missionswerke handeln ebenso. Auf diese Weise ermöglichen sie afrikanischen Christen, ihrer missionarischen Berufung nachzugehen, als Mitglieder einer internationalen Kongregation oder inzwischen auch schon in einheimischen Kongregationen. Das ist eine interessante Art von Zusammenarbeit.
Den internationalen Kongregationen stellt sich zunehmend eine andere Frage: Wie würde die Missionstätigkeit ad gentes der afrikanischen Ortskirche aussehen, unabhängig von den internationalen Kongregationen? Viele europäische Kongregationen bekommen immer mehr Mitglieder aus ihren ehemaligen "Missionsgebieten", aber oft finden die Afrikaner wenig Spielraum für eigenständige Entscheidungen und Vorgehensweisen. Leicht bekommen sie den Eindruck, billige Arbeitskräfte für ein Missionsprojekt zu sein, das in Europa oder Nordamerika erfunden und finanziert wird (in diese Richtung geht eine Überlegung, die sich Michael Amaladoss für die indische Kirche macht: Spiritus Nr. 167, 2002).
Die Gebetsmeinung, die sich auf diese wachsende Zusammenarbeit bezieht, hat offenbar diese Schwierigkeiten im Auge. Das ist nicht unrealistisch, vor allem, wenn man an die übermächtige Sorge um die Tradition und das Überleben der westlichen Kirchen und Kongregationen denkt. Verschiedene Wörter in der Formulierung der Gebetsmeinung sind wichtig und brauchen sicher die Unterstützung des Gebets: wachsende Zusammenarbeit, Zusammenarbeit, Hochschätzung und Wertschätzung der Charismen. Die Idee der Vielfältigkeit der Charismen in der Kirche sollte es den Kongregationen und der Lokalkirche erlauben, der Dynamik des Heiligen Geistes zu folgen und die mütterliche Liebe immer mehr in eine Geschwisterlichkeit zu verwandeln. Um das Vertrauen in den Heiligen Geist und seine Führung, die "alles neu machen" kann, sollte man ernsthaft beten.
Dieser Beitrag ist entnommen aus der Zeitschrift "DIE ANREGUNG" Ausgabe 2/2004