01. Mai 2005
Wir beten für alle Christen, dass sie das Sakrament der Eucharistie immer mehr als Herz im Leben der Kirche erfahren.
Die Eucharistie erinnert an das letzte Abendmahl
Die Feier der Eucharistie erinnert an das letzte Abendmahl Jesu und vergegenwärtigt es. Er hat es mit seinen Jüngern in der Nacht vor seinem Leiden gefeiert. Jesus sah den Tod und damit das Ende seines irdischen Lebens auf sich zukommen. Das war der Grund dafür, dass er mit seinen Jüngern, genauer gesagt mit den "Zwölf" (vgl. Mt; Mk; Lk;), sich zusammensetzte und in dieser Mahlfeier noch einmal verdeutlichte, wer er für sie und über sie hinaus für die "Vielen" und damit auch für uns sein wollte und will. Das, was immer schon sein Leben ausmachte, kennzeichnete und bestimmte, hier sollte es noch einmal zeichenhaft verdichtet von ihnen erfahren und erlebt werden. Das neue Leben im Reich Gottes als von Gott geschenkte unverbrüchliche Gemeinschaft mit ihm und untereinander, das er ihnen in seinen Worten und vor allem in seinen Gleichnissen schilderte, das in seinen Heilungen aufleuchtete und das er in seinen Gastmählern mit notorischen Sündern und Sünderinnen immer wieder feierte, hier wollte er es noch einmal als eine Art Testament in ihre Herzen hineinschreiben: "Nehmt und esst, das ist mein Leib, nehmt und trinkt, das ist mein Blut..." Das bin ich für euch, immer und unwiderruflich - und nicht zu vergessen - und da kommen die "Vielen", also auch wir, in den Blick: "Tut dies zu meinem Gedächtnis!"
Jesus feiert das letzte Abendmahl mit "Sündern"
Die Zwölf, mit denen Jesus das letzte Abendmahl feiert, sind Menschen, die ihm nachfolgten. Der Weg in den Abendmahlssaal hinein ist ein Weg des Vertrauens zu ihm, des Glaubens an ihn und des Mitgehens mit ihm. Aber dieser Weg öffnet sich vor ihnen nicht als eine leicht begehbare Allee oder gar als eine flott beschreitbare königliche Prachtstraße. Der Weg ist steinig und voller Hindernisse. Auf diesem Weg können sie stolpern, fallen und denjenigen, der ihnen vorangeht, aus den Augen verlieren. Seine Jünger, die auf ihn setzen und jetzt mit ihm essen und trinken, akzeptieren vielfach seinen Weg nicht und auch jetzt nicht sein sich abzeichnendes Ende. Judas, einer der Zwölf verrät ihn - das wird übrigens in späteren eucharistischen Hochgebeten eigens immer wieder vermerkt: "In der Nacht, da er verraten wurde..." - und auch die anderen verlassen ihn, als sein Leidensweg beginnt. Petrus, der vorher noch behauptet hat: "Und wenn ich mit dir sterben müsste - ich werde dich nie verleugnen" (Mk 14,31), wird im Hof des Hohenpriesters fluchen: "Ich kenne diesen Menschen nicht!" (Mk 14,71). Thomas Söding schreibt: "Der Grund dieses Versagens ist nicht eigentlich eine bestimmte Charakterschwäche, sondern ein tiefes Glaubensproblem, hinter dem die Gottesfrage steckt... Petrus und die anderen Jünger scheitern daran, dass sie Jesus zu einem Messias nach ihrem eigenen Bild formen wollen, sei er nun ein siegreicher Krieger, ein wunderbarer Therapeut, ein sanfter Revolutionär, ein heiliger Priester oder ein faszinierender Lehrer. Nur eines halten sie für vollkommen unglaubwürdig: dass im Tode Jesu alles Leben verheißen sein soll und dass der Christus den Weg der Niedrigkeit und Demütigung bis ans Kreuz geht." Mit diesen schwachen, sündigen, schuldigen Menschen feiert Jesus sein letztes Abendmahl. Er lässt sie nicht fallen, obwohl sie ihn verraten. Er steht zu ihnen, richtet sie auf und her für eine neue Lebensdimension. "Durch ihre Schuld hätten sie sich aus dem Reich Gottes ausgeschlossen, wenn Jesus es ihnen nicht dennoch aufgeschlossen hätte, indem er ihre Schuld getragen, vergeben und überwunden hat" (Thomas Söding). Das ist sein größtes Geschenk.
Auf dieser Basis feiern wir Eucharistie
Die frühe Kirche, die nach dem Tod und der Auferstehung Jesu, getreu seinem Wort: "Tut dies zu meinem Gedächtnis" das Herrenmahl begeht, also Eucharistie feiert, sieht sich selbst und ihre eigene Situation in den Jüngern, mit denen Jesus trotz ihres gebrochenen und defizitären Glaubens das Abendmahl hält, abgebildet. Ja sie gewinnt gerade wegen dieser Tatsache den Mut, Eucharistie zu feiern. Sie weiß ja um ihren gebrochenen und defizitären Glauben, sie weiß um ihre Angst, sich auf den Lebensentwurf und Lebensvollzug Jesu einzulassen, also ihm nachzufolgen und sie weiß um ihre "Besserwisserei" dem Lebenswissen Jesu gegenüber. Weil aber Jesus seine schuldigen Jünger mit dem letzten Abendmahl beschenkte und ihnen darin seine unverbrüchliche Liebe und Treue offenbarte, weiß auch die frühe Kirche und mit ihr "wissen" es auch die heutigen Christinnen und Christen, dass sie in seiner Liebe und Treue verwurzelt sind, trotz ihres offensichtlichen Versagens. "Wer also Eucharistie feiert, bekennt, dass er - wie die Zwölf - ein Sünder ist. Und mehr noch bekennt er, dass er sich von Jesus geliebt weiß - wie alle anderen auch, ob sie Eucharistie feiern oder nicht" (Thomas Söding). Diese Erfahrung aber schenkt den Christinnen und Christen die Kraft, das Leben immer wieder zu wagen, sich seinen Herausforderungen und Belastungen zu stellen und in seine Zukunft hineinzuwachsen. Der bekannte Schriftsteller Peter Handke lässt einmal in einem seiner Dramen eine Frau sprechen: "Worte allein begütigen mich nicht genug..." Begütigende Worte sind der Frau nicht genug, sie erwartet eine begütigendes Mitteilen, Handeln und Tun. Nur das kann ihr Leben gut werden lassen und zu einer guten Gestalt führen. Ist es nicht das, was wir im Grunde alle erwarten? Jesus weiß darum, und deswegen treten in den letzten Stunden seines Lebens die begütigenden Worte zurück und die begütigenden Taten in den Vordergrund. Er gibt und schenkt sich selbst unter den Zeichen von Brot und Wein als begütigende Gabe für die gute Gestalt und das Gelingen unseres Lebens. Er gibt und schenkt sich uns in der Fußwaschung der Jünger als der Diener eines ganz auf Gott und die Menschen ausgerichteten Lebens. Sein begütigendes Tun offenbart den begütigenden Gott und seinen Weg, uns zu wechselseitig begütigenden Menschen werden zu lassen. Wir brauchen also immer wieder diese begütigende Gabe, damit wir Christinnen und Christen sein und werden können. Deswegen feiern wir immer wieder die Eucharistie und lassen dieses Ereignis zum Herzen im Leben der Kirche werden.
Dieser Beitrag ist entnommen aus der Zeitschrift "DIE ANREGUNG" Ausgabe 3/2005