01. Jun 2005
Wir beten für die päpstlichen Missionswerke: Lass sie die Evangelisation der Welt unterstützen und die Getauften in ihrer missionarischen Verantwortung stärken.
Missionarische Verantwortung
Die päpstlichen Missionswerke und auch die anderen kirchlichen Hilfswerke im deutschsprachigen Raum versuchen, das missionarische Bewusstsein der Gläubigen zu stärken und die missionarische Verantwortung für die Weltkirche wachzuhalten. Dass das nachhaltig gelingt, zeigt sich vor allem in dem großen Spendenaufkommen der Katholiken im deutschsprachigen Raum für die verschiedenen Projekte der Werke, für die Projekte der einzelnen Ordensgemeinschaften und die Projekte unterschiedlicher missionarischer Initiativen und Gruppierungen mehr privater Natur.
Verdunstung der missionarischen Verantwortung
Es gibt aber gute Gründe dafür, dass sich die Spirale der Spendenbereitschaft in Zukunft nicht mehr weiter nach oben entwickelt und auch das missionarische Bewusstsein sich nicht steigert. Verantwortlich dafür zeichnen die sich durch Geburtenrückgang und Kirchenaustritte verringernde Zahl der engagierten Gläubigen, die allgemeinen Säkularisierungsvorgänge vor allem in den entwickelten Industrieländern, die allgemeine Entchristlichung der Religiosität mit dem Trend zu einer nach eigenen Geschmacks- und Bedürfniskriterien sich ausrichtenden Privatreligion und die grundsätzliche Infragestellung des Wahrheits- und Absolutheitsanspruches der christlichen Religion und damit von Mission überhaupt. Der Beschluss der Würzburger Synode "Missionarischer Dienst an der Welt" fasst die Vorbehalte so zusammen: "Die Mission sei ein Überrest kolonialen Denkens. Die Mission sei Ausdruck christlicher und westlicher Überlegenheit. Sie missachte die religiösen Überzeugungen der Andersgläubigen und die hohen Werte fremder Kulturen. Die Mission sei nur auf Bekehrungen aus. Sie übersehe, dass die Menschen auch in anderen Religionen Gott begegnen und das Heil gewinnen können. Die Mission lenke von den eigentlichen Problemen der heutigen Welt ab. Sie solle sich lieber darum kümmern, dass die Menschen genug zu essen haben, frei leben können und ihr Recht bekommen" (P. Michael Sievernich SJ). Das Sendungsbewusstsein der Christinnen und Christen, also ihre Mission für die Welt und damit die engagierte Weitergabe einer verbindlichen christlichen Glaubensüberzeugung, die als persönlich erfahrene Steigerung einer fundamentalen Lebensqualität hier und über den Tod hinaus erfahren und bezeugt wird, scheint in unserer Welt zu verdunsten.
Theologische Neubesinnung
Im Horizont dieser Tatsachen hat schon seit längerer Zeit eine theologische Neubesinnung bezüglich der Sendung und damit der Mission der Kirche eingesetzt. Das Zweite Vatikanische Konzil hat in seinem Missionsdekret die ganze Kirche als missionarisch umschrieben. Die Evangelisation ist eine Grundlebensäußerung und damit eine Grundpflicht des ganzen Gottesvolkes. Der zentrale Inhalt der Mission ist die Evangelisation, die Verbreitung des Evangeliums in allen Kulturen. Papst Paul VI. hat 1975 in seinem Apostolischen Schreiben "Evangelii nuntiandi" diese Gedanken aufgegriffen und in dem Sinne spezifiziert, dass er Evangelisierung und menschliche Befreiung eng zusammenrückte und alle Menschen als Adressaten der Mission erkannte. Papst Johannes Paul II. hat 1990 in seinem Rundschreiben "Redemptoris missio" diesen Gedanken weitergeführt und festgestellt, dass die Kirche in der "Erstmission ad gentes" und in der "Neuevangelisierung" von Völkern, die die Botschaft von Christus schon erhalten haben, zu neuen Ufern aufbrechen solle. Damit konnte auch neu der Gedanke bei uns Fuß fassen, den schon P. Ivo Zeiger 1946 äußerte, dass Deutschland Missionsland sei. Das Rundschreiben der deutschen Bischöfe vom 26. November 2000 "Zeit der Aussaat - Missionarisch Kirche sein" legt diesen Aspekt für die gegenwärtigen Verhältnisse in unseren Breiten der mitteleuropäischen Kultur aus und lenkt den Blick mit aller Konsequenz auf diese Tatsache. Kardinal Lehmann, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, sagt in seinem Geleitwort: "Ein Grundwort kirchlichen Lebens kehrt zurück: Mission. Lange Zeit verdrängt, vielleicht sogar verdächtigt, oftmals verschwiegen, gewinnt neu an Bedeutung." "Mission - ein Grundwort kirchlichen Lebens, weil es eben Grundvollzug von Kirche überhaupt ist, sowohl der Universalkirche wie auch der Einzelkirchen vor Ort, gleich unter welchen kulturellen und gesellschaftlichen Bedingungen auch immer" (Medard Kehl). "Communio und Missio, Gemeinschaft und Sendung sind immer die zwei Seiten ein und derselben Medaille" (Kardinal Lehmann); sie bedingen und befruchten sich gegenseitig. Missionarisch-Kirche-Sein bezieht sich vor allem auf die Sendung unserer Ortskirchen im und für den deutschsprachigen Kulturraum. In diesem Zusammenhang weist Bischof Wanke von Erfurt auf drei Wege für das Erstarken eines missionarischen Glaubens- und Kirchenbewusstseins hin. Die Gläubigen dürfen neu entdecken, dass der Glaubensweg in der Nachfolge Jesu frei setzt und das Leben reich macht. Das kann vor allem im offenen Mitteilen persönlicher Lebens- und Glaubenserfahrungen geschehen. Ferner dürfen die Gläubigen häufiger, selbstverständlicher und mit "demütigem Selbstbewusstsein" von Gott zu anderen sprechen. Es geht also darum, den Mut aufzubringen, die heute kulturell verordnete Intimisierung und Tabuisierung der persönlichen religiösen Erfahrung zu durchbrechen. Schließlich dürfen die Gläubigen die Vision des Festes, zu dem Gott uns einladen will, entwickeln, vor allem dadurch, dass sie eine Kultur des Einladens, des Willkommenheißens und der Zuwendung leben. Damit sich diese Sicht der Mission durchsetzt und sich die aus ihr resultierenden Haltungen realisieren, ist sicher, neben vielem anderen, das Gebet aller Gläubigen notwendig.
Dieser Beitrag ist entnommen aus der Zeitschrift "DIE ANREGUNG" Ausgabe 3/2005