05. Dez 2005
Wir beten, dass die internationale Staatengemeinschaft dem Menschenhandel ein Ende setzt.
Die Geschichte von Natalja
Natalja ist eine junge Ukrainerin, Mutter von zwei kleinen Kindern. Sie weiß kaum, wie sie sich und die Kinder durchbringen soll. Da lernt sie eine Frau kennen, die hat eine Idee. In Deutschland gebe es gut bezahlte Arbeit. Ihr eigener Mann sei dort und werde sie betreuen. Ja, das wäre etwas, denkt Natalja. Die neue Bekannte besorgt ihr eine Fahrkarte, das Geld könne sie später zurückzahlen. Natalja quittiert den Empfang und reist nach Deutschland.
Doch der Mann der Bekannten entpuppt sich als Zuhälter. Natalja soll in die Prostitution. Sie wehrt sich mit allen Kräften, doch sie ist hilflos im fremden Land, ohne Papiere, mit einer Schuld, die abgezahlt werden muss.
So geht es vielen Frauen. Sie werden mit falschen Versprechungen angelockt, meist illegal in den Westen geschleust. Dort werden ihnen Ausweis und Geld abgenommen, oft auch Gewalt angedroht. So kann man sie gefügig machen und zur Prostitution zwingen. Menschenhandel ist zum größten Teil Frauenhandel. Auch der internationale Heiratshandel ist oft nicht weit von Menschenhandel entfernt. Wenn nämlich den Frauen in Dritt-Welt-Ländern ein goldenes Leben im Westen vorgespiegelt wird und sie sich dann als ohnmächtige Dienerin eines Haustyrannen wiederfinden.
Kinder werden als Ware verkauft
Neben dem Frauenhandel ist der Kinderhandel zu nennen. Kinder werden regelrecht verkauft und als Ware angeboten: für Kinderprostitution, für Pornos, oder auch, um sie als Arbeitssklaven auszubeuten. Auch zur Adoption werden Kinder in armen Ländern angeboten und an ihre Adoptiveltern regelrecht verkauft. (Gewiss sollen damit nicht alle derartigen Adoptionen kriminalisiert werden.)
Eine krasse Form von Menschenhandel ist der Organhandel. Da werden junge Menschen entführt, ermordet und ihre Organe regelrecht ausgeschlachtet. Ein lukratives Geschäft, denn der Bedarf an menschlichen Organen ist groß, das Angebot klein.
Menschenhandel geschieht meist über nationale Grenzen hinweg, folglich ist hier das internationale organisierte Verbrechen im Spiel. Man erinnert sich an den Vorfall in England vor einigen Jahren: Als die Polizei das Verdeck eines verplombten Lastwagens öffnete, fand sie Dutzende von Toten. Sie waren in dem völlig überfüllten Lastwagen eingepfercht, im verplombten Wagen durch den Zoll geschmuggelt worden und allmählich elend erstickt. Gewissenlose Schlepper, internationale Zuhälterringe, die Mafia in den osteuropäischen Ländern all das sind Facetten der internationalen organisierten Kriminalität, die eine Verfolgung solcher Verbrechen äußerst schwierig machen.
Die Rache der Zuhälter
Zum Beispiel bei Frauenhandel und Prostitution. Die Opfer haben Angst, zur Polizei zu gehen und ihre Peiniger anzuzeigen, weil sie dann sogleich abgeschoben würden. Sie würden daheim ihr Gesicht verlieren. Und die Opfer weigern sich, vor Gericht gegen ihre Peiniger auszusagen. Denn die Rache der Zuhältermafia wäre ihnen gewiss.
So kommt es, dass von diesen abscheulichen Verbrechen dennoch nur wenige aufgeklärt und bestraft werden. Die Verurteilungsquote liegt laut Kriminalstatistik bei knapp zehn Prozent. Um die Menschenhändler zu verurteilen, braucht man die misshandelten Frauen als Zeuginnen. Also nicht abschieben, sondern einen Zeugenschutz organisieren: Personenschutz und finanzielle Hilfe für die Dauer des Prozesses.
Solwodi hilft Frauen in Not
Hier müssen wir die Geschichte von Natalja wieder aufnehmen. Natalja wurde in ein solches Zeugenschutzprogramm aufgenommen. Die Hilfe kam ihr von Solwodi (solidarity with women in distress), einer Gründung der Ordensschwester Lea Ackermann (Weiße Schwestern). Natalja wurde in einem Frauenhaus in Sicherheit gebracht. Solwodi besorgte ihr einen Rechtsbeistand und, nachdem der Prozess zu Ende war, Wohnung und Arbeit in einer anderen Stadt.
Natalja ist also trotz allem ein Glücksfall. Noch viel ist zu tun, um jene Verbrechen wirksam zu bekämpfen. Denn Menschenhandel ist eine der globalsten Verbrechensarten, gegen die kein Land allein etwas ausrichten kann. Hier ist die internationale Gemeinschaft gefragt. So beten wir in diesem Monat, dass die internationale Gemeinschaft den Menschenhandel wirksam bekämpfe.
Kommentar zur Allgemeinen Gebetsmeinung Februar 2006 aus der Zeitschrift "Die Anregung", Ausgabe 1/2006, Steyler Verlag, Nettetal