01. Aug 2006
Wir beten, dass alle Christen - Frauen und Männer - ihre persönliche missionarische Berufung leben.
Die am schnellsten wachsenden Kirchengemeinden sind die so genannten Freikirchen. Man schätzt die Zahl ihrer Anhänger auf rund 500 Millionen. Sie sind die aktivste Gruppe unter allen christlichen Kirchen. Allein in Lateinamerika verliert die katholische Kirche jährlich rund 3,5 Millionen ihrer Gläubigen an diese Freikirchen. In Afrika sowie in Asien und im Pazifik gehören sie zu denen, die den größten Zulauf verzeichnen. Was ihre Mitglieder in besonderer Weise auszeichnet, ist nach Clodovic Boff ihr Eifer und ihre Begeisterung, mit der sie den christlichen Glauben überall verkünden und bezeugen. Sie sind die einzigen, die direkte Missionsarbeit tun, das heißt Verkündigung, die auf Bekehrung der Menschen bewusst abzielt. Sie sprechen jeden direkt auf seinen Glauben hin an und versuchen, die Menschen bewusst zu Christus zu bekehren. - Generell kann man wohl sagen, dass ein solcher Eifer und ein solch lebendiges Zeugnis für den christlichen Glauben unter den Anhängern der Großkirchen nur noch als Ausnahme anzutreffen ist. Missionseifer scheint fast nur noch solchen Gruppen eigen zu sein, während die anderen christlichen Gemeinschaften den Eifer der Freikirchen eher belächeln und meist für übertrieben halten oder sogar für den Glauben schädlich ansehen.
Und doch: Wer seinen Glauben und seinen Ruf in die Nachfolge ernst nimmt, kann ja wohl nicht sein Zeugnis für diesen Glauben auf bestimmte Zeiten in seinem Leben beschränken. Glauben ist ja nicht ein Beruf, den ich für ein paar Stunden in der Woche reserviere, wo ich mich dann aktiv engagiere, während ich die restliche Zeit so lebe, als ob ich von diesem Glauben nichts wüsste. Der Karikaturstreit um den Propheten Mohammed dürfte uns ja bei aller Übertriebenheit und allem Fanatismus gezeigt haben, was Religion für Andersgläubige bedeuten und wie weit man gehen kann, um ihn zu verteidigen. Wieweit wir als Christen uns über Karikaturen gegen unseren Glauben noch aufregen und Proteste einlegen würden, bleibt dahingestellt. Vielleicht sollte die oben genannte Gebetsmeinung zunächst einmal zu einer Gewissenerforschung einladen, wieweit ich überhaupt bereit bin, meinen eigenen Glauben öffentlich zu bezeugen.
Bei allem Eifer der Sekten muss aber festgehalten werden: Glauben bezeugen heißt sicher nicht nur, dass ich öffentlich für meinen Glauben werbe und auf die Straße gehe, Glaube ist zunächst gelebtes Zeugnis im Dienst meiner Mitmenschen. In unseren Begegnungen mit den Menschen dürfen wir das Wort Ghandis nicht vergessen: Gott offenbart sich den Menschen immer in ganz konkreten Formen und Gestalten. Umgekehrt heißt das aber auch: Mein Bekenntnis und meine Liebe zu Gott offenbaren sich in den konkreten Formen und Gestalten, die mein Dienst am Menschen annimmt. Paulus hat das den Charismatikern in Korinth schon deutlich klargemacht, wenn er darauf pocht, dass echte Nachfolge sich nur da zeigt, wo ich bereit bin, meinen Mitmenschen im täglichen Leben so zu dienen, wie Christus uns selber gedient hat. Denn das Lebensmotto Jesu war: Ich bin nicht gekommen, um mich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen. Die werktätige Liebe bleibt das lebendige Zeugnis für meinen Glauben, das andere am besten überzeugen kann.
Vor einiger Zeit fand eine internationale Jugendtagung statt, auf der man sich beriet, wie das Evangelium am besten verbreitet werden könnte. Die jungen Menschen sprachen von Propaganda, von literarischen Möglichkeiten und vielem anderen mehr, wozu das zwanzigste Jahrhundert entsprechende Mittel bietet. Da meldete sich ein junges Mädchen aus Afrika zu Wort und sagte: "Wir schicken in die Dörfer, die wir für das Evangelium gewinnen möchten, keine Schriften. Wir schicken eine gläubige Familie dorthin, damit die Dorfbewohner sehen, was christliches Leben ist." (W. Hoffsümmer)
Die Dienste, die wir für die Menschen verrichten, sind die "konkrete Gestalt", durch die Gottes Liebe die Menschen erreicht. Nur so wird Gottes Liebe für die Menschen gegenwärtig und wirklich. Es ist jedoch nicht mein mündliches Beteuern, das beweist, wie tief ich mit dem Herrn verbunden bin. Es ist letztlich nur meine gelebte Jesusförmigkeit, die als konkreter Nachweis meiner Verbundenheit mit dem Herrn den Menschen als Zeugnis dienen wird. Denn auch hier gilt: Nur lebendiges Zeugnis kann Menschen für eine Sache begeistern. Menschen, die ihr Leben ganz in den Dienst von anderen gestellt haben, sind dafür das beste Beispiel. Albert Schweitzer, der berühmte Arzt, Musiker und Missionar in Afrika, hat das am besten in seinem eigenen Lebensprinzip ausgedrückt, das er jungen Menschen gab, die ihn um seine Lebenserfahrung baten.
Sie fragen mich, was für ein Lebensmotto ich Ihnen geben könnte: Hier ist es: dienen. Lassen Sie dieses Wort Ihr ganzes Leben begleiten und bestimmen. Lassen sie es Ihr Motto sein, wenn Sie einen Weg suchen und sich fragen, was denn der Sinn Ihres Lebens in der Welt ist. Möge es in Ihrer Erinnerung auftauchen, wenn immer Sie versucht sind, es zu vergessen oder wenn Sie es zur Seite schieben möchten. Dieses Motto wird nicht immer ein angenehmer Begleiter, aber stets ein treuer sein. Es wird Sie immer wieder befähigen, ein zufriedenes und frohes Leben zu leben, egal was die Erfahrung Ihres Lebens sein wird.
Worum es in dieser Gebetsmeinung geht: Die Christgläubigen sollen sich in ihrem Dienst am Menschen immer bewusst sein, dass selbstloses Dienen um der Liebe Christi willen die beste Bezeugung des christlichen Glaubens darstellt. Dies zeigt uns folgendes Beispiel von Mutter Teresa vielleicht am anschaulichsten:
Eines Morgens beobachtete Mutter Teresa einen Auflauf von Menschen vor dem Kali Tempel. Als sie näher kam, sah sie einen Mann am Boden liegen mit weit offenen Augen und farblosem Gesicht. Die dreifache Schnur an seinem Gewand deutete darauf hin, dass er ein Brahmane war, ein Priester des Tempels. Keiner wagte ihn anzufassen. Sie alle wussten, dass er an Cholera litt. Mutter Teresa beugte sich zu ihm nieder, nahm den Brahmanen in ihre Arme und trug ihn zu ihrem "Haus der Sterbenden". Tag und Nacht pflegte sie ihn, und schließlich wurde er wieder gesund. Eines Tages erklärte der Brahmane: "Dreißig Jahre habe ich einem Kali (der Name der Tempelgottheit) aus Stein gedient. Hier aber ist der wirkliche Kali, ein Kali aus Fleisch und Blut."
Johannes Füllenbach SVD, Kommentar zur Missionsgebetsmeinung August 2006 aus der Zeitschrift "Die Anregung", Ausgabe 4/2006, Steyler Verlag, Nettetal