01. Aug 2008
Wir beten, dass alle Menschen den Plan Gottes für die Welt respektieren und erkennen, welch großes Geschenk Gottes die Schöpfung für uns ist.
"Die Schöpfung als sein großes Geschenk verstehen" - nach der Darstellung der Bibel war sie von Anfang an als Gottes großes Geschenk an den Menschen gedacht. Das wird am eindrucksvollsten im zweiten Schöpfungsbericht (Gen 2,4b-25) dargestellt. Hier wird der Mensch zuerst erschaffen, und dann erst die übrige Schöpfung als ein Geschenk Gottes für den Menschen: Die Pflanzen und Bäume bilden einen Garten, den Gott der Herr eigens für den Menschen bereitet hat und den der Mensch bebauen und hüten soll. Und selbst an die Bewässerung hat Gott gedacht: Vier Ströme bewässern den Garten, dass er immer fruchtbar bleibt. Die Bäume tragen köstliche Früchte: als Nahrung für den Menschen gedacht (der nur von einem einzigen Baum nicht essen darf). Die Tiere sind als Hilfe und Gefährten für den Menschen geschaffen. Es ist rührend, wie Gott ein Tier nach dem anderen dem Menschen zuführt, um zu sehen, ob es ihm Hilfe und Gefährte sein könnte.
Der erste Schöpfungsbericht
Der erste Schöpfungsbericht ist dagegen anders aufgebaut. Hier wird der Mensch nicht zuerst, sondern zuletzt geschaffen, sozusagen als Krone der Schöpfung. Und Gott gibt ihm den Auftrag: "Seid fruchtbar und vermehrt euch, bevölkert die Erde, unterwerft sie euch und herrscht über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die sich auf dem Land regen" (Gen 1,28). Dieser Schöpfungsauftrag aus dem ersten Schöpfungsbericht hat viel Kritik hervorgerufen. Der Mensch soll sich die Erde unterwerfen ("Macht euch die Erde untertan!" - so die bekannte Übersetzung), er soll über alle Tiere herrschen. Ist der jüdisch-christliche Glaube also schuld an der ökologischen Krise? Das wird von vielen behauptet, wobei man als positives Gegenbeispiel den Buddhismus anführt, wo Mensch und Tier eine geschwisterliche Familie bilden und durch die Reinkarnation das eine in das andere sich wandeln kann.
Der Mensch als Vegetarier
Zunächst: Man kann ruhig zugeben, dass der Schöpfungsauftrag ein Motiv für die Entwicklung von Naturwissenschaft und Technik war, die gerade im Bereich des Christentums stattgefunden hat und die grundsätzlich ein Segen war. Und dass im Namen des "Macht euch die Erde untertan" faktisch viel an der Schöpfung zerstört wurde, ist wohl leider auch Tatsache. Aber wenn man den oben zitierten Schöpfungsauftrag im Zusammenhang liest, erkennt man, dass seine Absicht keineswegs die Beschädigung oder Zerstörung der Schöpfung und der Geschöpfe ist. Gott fährt nämlich in seinem Auftrag fort: "Hiermit übergebe ich euch alle Pflanzen auf der ganzen Erde, die Samen tragen, und alle Bäume mit samenhaltigen Früchten. Euch sollen sie zur Nahrung dienen" (Gen 1,29). Die Menschen sollen sich also von Pflanzenkost ernähren, sie sollen keine Tiere zum Verzehr töten, vielmehr vegetarisch leben. (Erst "infralapsarisch", beim Noachbund nach der Sintflut, weist Gott den Menschen das Fleisch von Tieren als Nahrung zu (vgl. Gen 9,3). Aber das war nicht Gottes ursprüngliche Absicht bei der Schöpfung.) Der Mensch soll über die Schöpfung herrschen wie Gott über sie herrscht, er ist sozusagen der irdische Verwalter Gottes. Und wie Gottes Herrschaft eine Leben gebende und Leben erhaltende Herrschaft ist, so soll es auch die des Menschen sein. So betrachtet, verliert der Auftrag, die Erde untertan zu machen, seinen anstößigen Klang. Er ist dann zu deuten im Sinn des zweiten Schöpfungsberichts: Der Mensch soll den Garten der Schöpfung, dieses große Geschenk Gottes, "bebauen und hüten" (vgl. Gen 2,15).
Ein gewaltiger Zeitsprung
Machen wir einen gewaltigen Zeitsprung von der Urgeschichte in die heutige Zeit. Umweltbewusstsein ist ein Modewort geworden. Was einst Reservat der Grünen war, wird heute weithin von allen Parteien akzeptiert. Von der Mülltrennung bis zur Windkraft, vom Hybridauto bis zur Nutzung der Erdwärme beim Hausbau: überall steht der schonende Umgang mit der Umwelt hoch im Kurs. Doch das ist nicht primär einer Besinnung auf Gottes gute Schöpfung zu verdanken, sondern der nüchternen Erkenntnis, dass wir kurz vor einer globalen Umweltkatastrophe stehen. Zwei Dinge sind es, die hier ins Gewicht fallen: einmal erkennen wir, dass die Vorräte an fossilen Energien (Kohle, Erdöl, Erdgas) allmählich zur Neige gehen. Wenn wir wollen, dass auch noch unsere Kinder und Enkel davon zehren können, müssen wir sparsam damit umgehen (Prinzip der Nachhaltigkeit). Und zweitens: Autos, Flugzeuge, Maschinen, Fabriken u.s.w. stoßen Treibhausgase aus, welche die schützende Ozonschicht der Erde beschädigen und zur Erwärmung der Erdatmosphäre beitragen. Dadurch schmelzen die Gletscher ab, das Eis an Nord- und Südpol schmilzt allmählich, der Wasserspiegel der Meere erhöht sich und wird ganze Regionen und Städte unter sich begraben.
Wir "bebauen und hüten" den Garten von Gottes Schöpfung nicht, wir "herrschen" nicht über sie wie Gott herrscht: Leben gebend und Leben erhaltend, sondern wir zerstören z.B. den "Garten Eden" der tropischen Regenwälder, indem wir sie egoistisch und rücksichtslos abholzen. Und die Schöpfung rächt sich: Wüsten breiten sich auf der Erde immer mehr aus, Zugang zu sauberem Trinkwasser wird immer schwieriger, Überflutungen, Schlammlawinen und Erdrutsche richten ungeheure Verheerungen an.
Gibt es keinen Trost in diesem düsteren Bild? Doch, den gibt es. Immer mehr Menschen erkennen, dass wir auf einen Abgrund zusteuern. Und immer mehr sind gewillt, zur Abwendung der Umweltkatastrophe auch spürbare Opfer zu bringen.
Christen spielen hier eine wichtige Rolle. Ob wir an den "konziliaren Prozess" mit dem Motto "Gerechtigkeit, Frieden, Bewahrung der Schöpfung" denken, an christliche NGOs (Nichtregierungsorganisationen), die den Politikern Druck machen, oder ganz schlicht an das Kloster, das seinen Klosterhof jetzt als biologischen Musterbetrieb weiterführt - die Christen setzen sich dafür ein, dass Gott auch heute wieder von seiner Schöpfung sagen kann: "Siehe, es war sehr gut."
Kommentar zur Allgemeinen Gebetsmeinung August 2008 aus der Zeitschrift "Die Anregung", Ausgabe 4/2008, Steyler Verlag, Nettetal