November 2012
„Gott, unser Vater, wir bitten dich für die Bischöfe, Priester, Diakone und Ordensleute: Stärke sie in ihrer Treue zum gekreuzigten und auferstandenen Christus.“
Die Gruppe, die der große Fischer in Rom diesen Monat unserem Gebet empfiehlt, ist eine starke Gruppe innerhalb des pilgernden Gottesvolkes, die sich in besonderer Weise der Nachfolge Jesu verschrieben hat.
Und schon verfalle ich in eine Denkweise, die nicht korrekt ist, denn man könnte daraus schließen, dass ich – da ich auch zu dieser Gruppe gehöre – etwas geleistet habe: Ich habe mich in besonderer Weise dem Herrn verschrieben. Genauere Überlegungen führen allerdings zu einer anderen Erkenntnis: Johannes gibt in seinem Evangelium eine hier relevante Aussage Jesu wieder: „Nicht ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und dazu bestimmt, dass ihr euch aufmacht und Frucht bringt und dass eure Frucht bleibt“ (Joh 15,16a). Das klingt ja auch nicht schlecht: Jesus hat mich berufen! Ich – von Jesus berufen! Das hat was! –
Nein, die Berufung durch den Herrn sollte keinem in den Kopf steigen, ist sie doch zunächst eine Konsequenz, die sich aus der Taufe ergibt. Paulus beschreibt die Kirche, also die Gemeinschaft der Getauften, als einen Organismus in dem jeder seine von Gott gegebene Aufgabe hat (1Kor 12,4.12-31; Eph 4,11f). Alle Glieder des Leibes Christi sind gleich wichtig, ein jeder hat dem Wohl und dem Aufbau/Erhalt des Leibes Christi zu dienen. Im Lauf der Geschichte hat man das zwar gelesen und im Hinterkopf behalten, aber der Text trat – wie auch die anderen diesbezüglichen Schrifttexte (Mk 9,35//10,43//Mt 20,26f//Lk 22,26; s. auch die Fußwaschung Joh 13,1-20) – immer mehr zurück, und durch die vorherrschende Gesellschaftsstruktur wurde der eigentliche Leitungsdienst der Kirche mit Machtstrukturen durchsetzt, was sich leider bis in die heutige Zeit bei vielen erhalten hat und sich sowohl im Tragen besonderer Kleidung und von Insignien (Zeichen, welche die soziale Stellung oder das Amt ihres Trägers nach außen hin sichtbar machen) als auch im Auftreten so mancher Kleriker (Angehörige des geweihten Standes) zeigt. Diese Versuchung der Macht (bis hin zu Machtmissbrauch) hat auch vor den Mitgliedern von Ordensgemeinschaften nicht halt gemacht und viele waren und sind ihr erlegen.
Die Probleme entzünden sich meist an unterschiedlichen Ansichten und Erwartungen; die einen suchen und finden ihr Heil in einer klerikalen Kirche, die vorgibt, was dem Recht und der Ordnung der Gemeinschaft der Glaubenden entspricht, die anderen favorisieren eine seelsorgerisch-pastorale Kirche, die im gemeinsamen Suchen und Finden, einem Dialog „auf Augenhöhe“, versucht, das Reich Gottes weiter auszubauen.
Das II. Vat. Konzil hat zu Letzterem Möglichkeiten eröffnet, die in ihrer Umsetzung auch heute noch, 50 Jahre danach, auf ihre Verwirklichung warten. Im Gegenteil, durch konservative Kräfte in der Kirche scheint sich ein Rückschritt anzubahnen zu einem mehr klerikalen, von oben gesteuerten und weitgehend entmündigten Gottesvolk. Selbst die pastorale Neugliederung der Diözesen in Deutschland bringt vielerorts keine Neuerung: alles wird zentralistisch „neu“ strukturiert, aber im Grunde bleibt alles beim Alten. –Vertan die Chance, neue Gemeindemodelle mit mehr Verantwortung in „Laienhänden“ zu verwirklichen, die anderswo in der Kirche längst umgesetzt sind und praktiziert werden.
Doch halt! Neu ist, dass viele Geistliche, die mit Leib und Seele Seelsorger – und damit für die Menschen da sein möchten, - von ihrer eigenen Diözesanleitung aber mehr und mehr Verwaltungsaufgaben verpflichtet werden; Enttäuschung, Frust und Burn-out-Syndrom sind die Folge, und mehr und mehr Geistliche sind dem Druck „von oben“ einfach nicht mehr gewachsen; sie werden schlichtweg „verheizt“! Das, was am „grünen Tisch“ – und manchmal ohne genauere Kenntnis der Sachlage vor Ort – beschlossen wird, dürfen die „Frontmänner“ ihren Gemeinden als die geniale Lösung für die Zukunft verkaufen. Da sind Konflikte zwischen Seelsorgern und ihren anvertrauten Gemeinden vorprogrammiert.
Dass es innerkirchlich brodelt, Diakone und Priester den Bischöfen ihren Frust und Unmut bekunden, bleibt nicht aus.
„Laien“-organisationen machen den Bischöfen das Leben schwer, fordern mehr Gewicht und Verantwortung innerhalb der kirchlichen Gemeinschaft.
Und zu guter Letzt wird bei jeder Gelegenheit, die sich den Massenmedien bietet, auf die Kirche (gemeint ist oft die Kirchenleitung) eingeschlagen.
Vieles mag berechtigt sein, wenn wir an die Missbrauchsfälle und deren jahrelange Vertuschung durch Diözesan- und Ordensleitungen denken.
Aber bei aller berechtigten Kritik sollten wir eines nicht vergessen. Schmutzige Wäsche wird (und muss) zu Hause gewaschen (werden). Die saubere hängen wir auf die Leine.
Lassen wir unsere Schwestern und Brüder des geistlichen Lebens nicht mit all den Schwierigkeiten allein! Bekunden wir unsere Solidarität! Ich gebe zu, es ist sehr leicht, sich der Kritik an der Kirche und an deren Vertretern anzuschließen. Aber auch sie brauchen unser Gebet!