Die Sehnsucht nach dem Einssein

AT

19. Mai 2022

Von der Faszination des Singens, von den Schwingungen, die dabei entstehen und warum Dudeln wie Achterbahnfahren ist: Ein Abend mit der Sängerin Agnes Palmisano.

Die Sehnsucht nach dem Einssein

Es ist die Sehnsucht nach Ganzheit, nach dem Einssein, die Agnes Palmisano so am Singen fasziniert. „Dieses Gefühl von Flow, das andere Menschen beim Sport, beim Gebet oder in der Meditation erleben, wird für mich beim Singen am unmittelbarsten spürbar. Die Schwingungen, die da entstehen, bei mir und beim Publikum, das hat Suchtpotential.“ Der Abend mit Agnes Palmisano am 27. Mai war die letzte Veranstaltung im Rahmen der heurigen St. Gabrieler Vortragsreihe „Wofür ich brenne“.
Die in Wöllersdorf und Moskau aufgewachsene Künstlerin singt, seit sie als Kleinkind sprechen lernte. „Das Singen mit meiner Mutter gehört zu meinen schönsten Erinnerungen mit ihr.“ Das vierstimmige Singen in der Familie schuf ein Gefühl von Harmonie und Geborgenheit. Erst später erkannte Palmisano, dass das Familiengefüge abseits des Singens nicht ganz so harmonisch war.
Das Singen zum Beruf zu machen, sei ein langer, von Zweifeln besetzter Weg gewesen. Agnes Palmisano absolvierte zunächst eine Ausbildung zur Sonderschulpädagogin, ehe sie an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien Gesang studierte. Von 1996 bis 2010 unterrichtete Agnes Palmisano an einer öffentlichen Sonderschule für geistig schwerstbehinderte Kinder mit musisch–kreativem Schwerpunkt in Wien. Als Leiterin des Bereichs Musik setzte sie zahlreiche Projekte mit ihren Schülerinnen und Schülern um.

Agnes Palmisano
Die Sehnsucht nach dem Schwingen
Die Sehnsucht nach dem Schwingen

"Dudeln ist wie Achterbahnfahren"

Agnes Palmisano ist in den unterschiedlichsten Musikrichtungen zu Hause. Einen Namen hat sie sich vor allem als Wienerlied-Interpretin und als Expertin für den „Wiener Dudler“ – die wienerische Variante des Jodelns - gemacht. Zu diesem Genre sei sie „durch puren Zufall“ gekommen, berichtete Palmisano. Beim Gesangsstudium fehlte ihr noch ein Wahlfach. Sie entschied sich für ein Volksmusik-Seminar, das der Sänger Roland Neuwirth („Extremschrammeln“) hielt. „Dort habe ich das Dudeln zum ersten Mal ausprobiert.“ Bald wurde sie zu Auftritten eingeladen, es kam zur Zusammenarbeit mit Größen des Wienerlieds wie Gerhard Bronner, Roland Neuwirth, Karl Hodina und Trude Mally.
So wie das Jodeln sei das Dudeln eine „Spielerei mit dem Kehlkopf", bei der, den puren Emotionen folgend, sinnlose Silben erzeugt werden. Im Gegensatz zum Jodeln ist das Dudeln jedoch näher an der Hochkultur und im 19. Jahrhundert auf den Bühnen der Vorstadttheater entstanden. Unter dem Motto „Worüber man nicht sprechen kann, darüber sollte man dudeln“ gab Agnes Palmisano nicht nur ein paar Kostproben zum Besten, sondern lud das Publikum auch ein, gemeinsam mit ihr das Dudeln auszuprobieren. „Dudeln ist wie Achterbahnfahren – nicht nur für die Stimmbänder!“

Agnes Palmisano zeigt vor, wie die Stimmbänder funktionieren.
Agnes Palmisano zeigt vor, wie die Stimmbänder funktionieren.
So klingt ein Dudler: Agnes Palmisano gibt eine Kostprobe
So klingt ein Dudler: Agnes Palmisano gibt eine Kostprobe

"In Finstan"

Agnes Palmisano berichtete auch von ihrem jüngsten Projekt: Für das Programm und die CD „In Finstan“ hat sie Lieder des Renaissance-Komponisten John Dowland ins Wienerische übertragen. „Dowlands Musik hat mich schon lange begleitet und angesprochen.“ Wer weiß, vielleicht gibt es bald eine Gelegenheit, Agnes Palmisano und ihr Trio bei einem Konzert in St. Gabriel zu erleben. Denn der wunderschöne Festsaal des GABRIUM und seine Akustik haben es ihr angetan: „Das wär‘ ein Konzertsaal!“

Fotos: Franz Helm SVD

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