Für den Frieden ins Gefängnis gehen

AT

19. Okt 2022

Der Theologe Jakob Frühmann sprach am ersten Abend der St. Gabrieler Vortragsreihe 2022/2023 über christlich motivierten Widerstand gegen Aufrüstung und Atomwaffen.

Zunehmende Aufrüstung und atomare Bedrohung sind durch den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine wieder sehr real geworden. Der aus dem Südburgendland stammende Theologe Jakob Frühmann, 32, hat sich in den letzten Jahren intensiv mit den Themen Abrüstung und Antimilitarismus beschäftigt und dabei festgestellt, dass die Jugendlichen heute zwar für den Klimaschutz auf die Straße gehen, die Fragen nach Auf- und Abrüstung aber kaum wahrgenommen werden. „Ich war sehr erstaunt darüber, dass wir, gerade wenn es um Nuklearwaffen geht, scheinbar unbewegt und fast schon blind durch diese Schreckensszenarien wanken und keiner aus meiner Generation eine nukleare Bedrohung als solche wahrnimmt, obwohl sie faktisch eine ist“, sagte Frühmann in seinem Vortrag am 17.10. im GABRIUM der Steyler Missionare.

Aufrüstung und atomare Bedrohung sind durch den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine wieder sehr real geworden: Erster Abend der St. Gabrieler Vortragsreihe mit dem Theologen Jakob Frühmann im GABRIUM
Aufrüstung und atomare Bedrohung sind durch den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine wieder sehr real geworden: Erster Abend der St. Gabrieler Vortragsreihe mit dem Theologen Jakob Frühmann im GABRIUM

Für den Frieden Opfer auf sich nehmen

Mit dem Buch „Brot und Gesetze brechen. Christlicher Antimilitarismus auf der Anklagebank“, das er gemeinsam mit Cristina Yurena Zerr herausgegeben hat, möchte Frühmann auf jene Christinnen und Christen aufmerksam machen, die die Frage nach Abrüstung und einer gewaltfreien Welt so ernst nehmen, dass sie für ihre Aktionen auch in Kauf nehmen, Gesetze zu brechen. „Es hat uns fasziniert, dass sich Menschen so sehr der Nachfolge Jesu verschreiben, dass sie nicht nur bereit sind, in einer Ordensgemeinschaft oder in Armut zu leben, sondern auch ins Gefängnis zu gehen.“ Für das Buch begleiteten Frühmann und Zerr Aktionen von Christinnen und Christen und veröffentlichten deren Gerichtsreden – „theologisch könnte man von christlichen Zeugnissen sprechen“ –, um Einblick in die Motive dieser Menschen zu geben und der Bewegungen, die dahinterstehen. „Die Menschen, die wir porträtieren, die in Militärbasen eingebrochen sind, um gegen die Nuklearwaffen dort zur protestieren, haben nicht aus einem Affekt heraus gehandelt, sondern nach jahrzehntelanger, konstanter Friedensarbeit.“ Es handelt sich dabei u.a. auch um (ehemalige) Priester und Ordensleute. Ein wesentlicher Gedanke ihrer Friedensarbeit sei, dass Rüstung und Krieg nicht nur Leid anrichten, wenn ein aktuell ein Krieg stattfinde, sondern auch die Kehrseite einer Medaille von Armut seien. „Für einen Krieg nehmen wir immer viele Entbehrungen auf uns. Für den Frieden sind die meisten Menschen nicht bereit, Opfer zu bringen. Der Preis des Friedens muss aber ebenso groß sein“, so Frühmann.

In seinem Buch "Brot und Gesetze brechen" schreibt Frühmann über die Aktionen und Gerichtsreden christlicher Friedensaktivisten.
In seinem Buch "Brot und Gesetze brechen" schreibt Frühmann über die Aktionen und Gerichtsreden christlicher Friedensaktivisten.

Christlich motivierte Friedensaktivisten

In seinem Vortrag erwähnte Jakob Frühmann als Beispiele für christlich motivierte Friedenaktivisten die Brüder Phil und Dan Berrigan, die so genannte Pflugscharbewegung, deren Name auf die alttestamentarischen Stellen zurückgeht, Schwerter zu Pflugscharen und Lanzen zu Winzermessern zu machen sowie die Catholic Worker-Bewegung, die auf die amerikanische Pazifistin Dorothy Day zurückgeht. „Die Menschen, die sich an solchen Aktionen beteiligen, leben nicht irgendwo isoliert, sondern meistens in Basisgemeinden oder christlichen Gemeinschaften, die zum Teil stark an Ordensstrukturen angelehnt sind“, unterstrich der Theologe und Buchautor. „Viele der Menschen, die wir kennengelernt haben, bezeichnen sich selbst als christliche Aktivistinnen und Aktivisten, weil sie Jesus als jemanden sehen, der massive Kritik an den herrschenden Verhältnissen geübt hat.“ Für ihn persönlich sei Friedensarbeit eine spirituelle Angelegenheit. „Ich schöpfe aus diesen Zugängen eine gewisse Kraft und Hoffnung, denn ansonsten würde man wie viele andere in Verzweiflung, Lethargie und Resignation enden.“

Die Priester-Brüder und Friedensaktivisten Phil und Dan Barrigan schafften es auf den Cover des Time-Magazins.
Die Priester-Brüder und Friedensaktivisten Phil und Dan Barrigan schafften es auf den Cover des Time-Magazins.
Pflugscharaktion auf dem Gelände des NATO-Flugplatzes Büchel in der Eifel: 18  Personen drangen ein, um gegen die dort stationierten US-Atomwaffen zu protestieren. In den Gerichtsprozessen gegen die Teilnehmer:innen kam es zu Verurteilungen wegen Hausfriedensbruchs. Foto: Cristina Yurena Zerr
Pflugscharaktion auf dem Gelände des NATO-Flugplatzes Büchel in der Eifel: 18
Personen drangen ein, um gegen die dort stationierten US-Atomwaffen zu protestieren. In den Gerichtsprozessen gegen die Teilnehmer:innen kam es zu Verurteilungen wegen Hausfriedensbruchs. Foto: Cristina Yurena Zerr

Weitere Aufrüstung ist keine Lösung

Auf die Frage, ob eine bessere Vorgangsweise gebe, als dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine mit Gewalt entgegenzutreten, gibt es für Frühmann „keine klare Antwort“. Er wies darauf hin, dass z.B. in Deutschland eine hitzige Debatte stattfinde, ob es Waffenlieferungen an die Ukraine geben soll. Die Friedensaktivisten versuchten seit Jahrzehnten darauf hinzuweisen, dass Aufrüstung auch im Nicht-Einsatzfall tötet. „Meine Lehren daraus: Weitere Aufrüstung in Europa und Österreich kann keine Antwort sein. Es kann nicht sein, dass wir in Zeiten von Krieg und aufgehitzten Gemütern weiter in Aufrüstung investieren.“
Der Abend mit Jakob Frühmann war der Auftakt zur St. Gabrieler Vortragsreihe 2022/2023 „Transformationen gestalten“. Aktivistinnen und Aktivisten aus den verschiedensten Bereichen berichten, wie sie inmitten von Krisen und Herausforderungen Transformationen gestalten. Der nächste Vortrag im GABRIUM findet am 15. November 2022 statt. Zu Gast ist dann die Generalsekretärin der Österreichischen Ordenskonferenz, Sr. Christine Rod MC. Unter dem Titel „Wir sind bereit“ spricht sie über den Weg der Frauen in der Kirche.

Fotos: Franz Helm SVD

Zur Person
Jakob Frühmann wurde 1990 im Südburgenland geboren. Seinen Zivildienst machte er mit der Organisation „Jugend Eine Welt“ in der mexikanischen Grenzstadt Tijuana. Danach studierte er Theologie, Germanistik und Internationale Entwicklung in Wien und war am Aufbau des offenem Kinder- und Jugendzentrums SALE für Alle in Wien beteiligt.
Er arbeitete als AHS-Lehrer und auf einem Schiff des erlebnispädagogischen Projekts „Klassenzimmer unter Segeln“. Seit einigen Jahren ist er als Seemann und Einsatzleiter für die Organisation Sea Watch tätig, die geflüchtete Menschen aus dem Mittelmeer rettet.
Frühmann ist zusammen mit Cristina Yurena Zerr Herausgeber des Buches „Brot und Gesetze brechen. Christlicher Antimilitarismus auf der Anklagebank“, das 2021 im Mandelbaum Verlag erschienen ist.

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