„Den guten Geist bewahren“

30. Okt 2023

Vier Jahre war P. Franz Helm SVD Rektor des Missionshauses St. Gabriel. Jetzt übergab er die Leitung des Hauses an P. Franz Pilz SVD. Ein Gespräch über die Arbeit an einem geschichtsträchtigen Ort, große Herausforderungen und Wünsche für die Zukunft.

„Den guten Geist bewahren“

Du hast das Missionshaus von 2019 bis 2023 geleitet und warst auch schon von 2001 bis 2004 Rektor. Was sind eigentlich die Aufgaben eines Rektors?
P. Franz Helm: Der Rektor ist zunächst einmal der Lokalobere, das heißt, er ist zuständig für die Kommunität und die Mitbrüder vor Ort. Er hat die Letztverantwortung für alle persönlichen, spirituellen und wirtschaftlichen Belange. Gleichzeitig repräsentiert er das Haus und die Gemeinschaft auch in der Öffentlichkeit, gegenüber der politischen Gemeinde und kirchlichen Stellen. Ich habe auch bei meinem Engagement im ökologischen und Bereich gemerkt, dass es einen Unterschied macht, wenn man als Rektor von St. Gabriel auftritt. Diese Leitungsverantwortung verhilft zu Anerkennung und Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit.

Der Rektor ist der Obere der Mitbrüder vor Ort: Heilige Messe in der Heilig-Geist-Kirche von St. Gabriel
Der Rektor ist der Obere der Mitbrüder vor Ort: Heilige Messe in der Heilig-Geist-Kirche von St. Gabriel
Die Leitungsverantwortung verhilft zu Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit: Franz Helm bei einer Demonstration gegen Fremdenfeindlichkeit
Die Leitungsverantwortung verhilft zu Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit: Franz Helm bei einer Demonstration gegen Fremdenfeindlichkeit

Das Missionshaus St. Gabriel hat in den letzten Jahrzehnten große Veränderungen erlebt – die Schließung ordenseigener Betriebe, große Renovierungs- und Umbauarbeiten, bis hin zur Errichtung des Immobilienfonds, der die Liegenschaft jetzt verwaltet, der Eröffnung des GABRIUM und die Vermietung freier Räume. Welche Auswirkungen hatten diese Umwälzungen für das Amt des Rektors?
Der größte Unterschied ist: Früher war der Rektor für die ganze Liegenschaft St. Gabriel verantwortlich, heute beschränkt sich die Zuständigkeit auf die Kommunität vor Ort und die Kirche. In meiner ersten Amtszeit wurden viele Abteilungen noch von Mitbrüdern geleitet, es gab noch Hausbetriebe wie Elektriker, Maler, Schlosserei, Bäckerei, eine große Küche, die auch für „Essen auf Rädern“ gekocht hat, das Exerzitienhaus war noch in Betrieb. Es arbeiteten noch viel mehr angestellte Mitarbeiter:innen hier als heute. Doch es begannen sich schon Veränderungen anzubahnen: Die Theologische Hochschule wurde geschlossen und erste Räume wurden extern vermietet.
Ich war damals auch noch Kaplan in der Pfarre Südstadt und übernahm für einige Zeit die Leitung des Zeitschriftenverlags St. Gabriel und die Chefredaktion der „Stadt Gottes“ – die Arbeit ging mir also nie aus!

Und in der zweiten Amtsperiode war es dann einfacher?
Als ich 2019 wieder Rektor wurde, waren die großen Umstrukturierungen in St. Gabriel gelaufen, der Umbau und das GABRIUM fertiggestellt. Meine Rolle war es, den Mitbrüdern zu vermitteln, dass sich die Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten in der Verwaltung des Geländes verändert haben. Das war ein schmerzlicher Prozess des Loslassens. Ich versuchte das Positive hervorzukehren: Dass damit auch eine große Last von unserer zunehmend kleineren Gemeinschaft genommen wurde.
Auch nach außen hin war es notwendig, zu kommunizieren, dass der Immofonds zuständig ist. Besonders deutlich wurde das zuletzt beim Ausbruch des Ukrainekriegs, als Lokalpolitiker von den Steylern forderten, St. Gabriel für geflüchtete Menschen zu öffnen, weil in dem riesigen Haus doch genug Platz sein müsste. Da war es meine Aufgabe darauf hinzuweisen, dass das ehemalige Flüchtlingshaus der Caritas auf Anordnung der Landespolitik geschlossen werden musste und daher erstens die notwendige Infrastruktur für Flüchtlingsunterkünfte nicht mehr vorhanden war und wir zweitens als Ordensgemeinschaft nur mehr über einen kleinen Teil des Hauses selbst verfügen und daher niemanden aufnehmen können.

Der Protest gegen die Schließung des Caritas-Flüchtlingsheims in St. Gabriel blieb leider erfolglos.
Der Protest gegen die Schließung des Caritas-Flüchtlingsheims in St. Gabriel blieb leider erfolglos.

St. Gabriel hat eine große Vergangenheit und Bedeutung für die SVD. Es diente als Ausbildungshaus, von dem unzählige Missionare in alle Welt ausgesandt wurden und war auch immer ein spirituelles Zentrum für die Region. Wie geht man als Rektor mit dieser Geschichte um?
Die Geschichte des Hauses beschert uns Aufmerksamkeit und ist eine Projektionsfläche. Als Rektor ist man Verwalter dieser glorreichen Vergangenheit, deren „Reste“ in Archiven und dem Museumsdepot „herumliegen“. Es ist einerseits wunderbar zu merken, welche Schätze wir da haben, vor allem, wenn Forscher:innen kommen und sich dafür interessieren. Auf der anderen Seite ist es auch eine Last und ein großer Wermutstropfen, dass wir weder die finanziellen Mittel noch das Personal haben, um diese Bestände zu betreuen und öffentlich zugänglich zu machen.

Das Durchschnittsalter der Hausgemeinschaft in St. Gabriel ist 75 Jahre. Was bedeutet das für den Rektor?
Das ist eine große Herausforderung. Die Anzahl der Mitbrüder, die Aufmerksamkeit und Pflege benötigt, steigt, und die Zahl derjenigen, die sich kümmern können, wird weniger. Ein Beispiel: Immer öfter brauchen alte Mitbrüder jemanden, der sie mit dem Auto zum Arzt bringt, aber wir haben immer weniger Leute, die diese Chauffeurdienste übernehmen können.
Gleichzeitig ist es großartig zu sehen, dass viele Mitbrüder selbst im hohen Alter von 86 oder 89 Jahren wesentliche Dienste im Haus leisten, z.B. als Kellermeister, an der Pforte, beim Tischdienst, in der Sakristei, bei der Gartenarbeit im Park usw. Wie in einer Großfamilie bringt sich jeder ein, wie er kann. Das hält geistig frisch! Beruhigend ist, dass wir mit dem Freinademetzheim einen Ort für die Mitbrüder haben, die intensivere Pflege benötigen.
In meiner Zeit als Rektor sind auch einige Mitbrüder verstorben. Einige von ihnen waren Stützen der Gemeinschaft und sind sehr plötzlich und unerwartet von uns gegangen. Das hat mich jedes Mal sehr betroffen gemacht!

Was war im Rückblick die größte Belastung in den vergangenen vier Jahren?
Das war sicher die Corona-Pandemie. Wir hatten im Haus zwei große Wellen mit zahlreichen Infizierten. Besonders dramatisch war der erste Ausbruch der Virus-Erkrankung, als es noch keine Impfung und keine Selbsttests gab. Nur durch die selbstauferlegte Isolation in unseren Zimmern und die Versorgung dort durch unsere Angestellten konnten wir die Infektion eindämmen.
Ich habe in dieser Zeit die Verantwortung für einen Haushalt mit rund 50 Menschen sehr stark gespürt. Die Sorge war immer präsent. Es ging darum, Regeln für einen Umgang miteinander aufzustellen, die eine Ansteckung verhindern und trotzdem das Gemeinschaftsleben und das Gebet ermöglichen sollten. Ich bin sehr dankbar für das gute Miteinander, dass wir in dieser Zeit aufeinander geschaut und füreinander gesorgt haben. Eine große Stütze war für mich Vizerektor Josef Denkmayr. Als ausgebildeter Krankenpfleger verfügte er über das notwendige medizinische Fachwissen und über wichtige Kontakte.

Die Corona-Pandemie war die größte Herausforderung für den ehemaligen Rektor. Umso mehr freute sich Pater Helm, als die Kirche wieder für Besucher:innen geöffnet werden konnte.
Die Corona-Pandemie war die größte Herausforderung für den ehemaligen Rektor. Umso mehr freute sich Pater Helm, als die Kirche wieder für Besucher:innen geöffnet werden konnte.

Aber es gab bestimmt auch schöne Erlebnisse!
Dass es möglich war, 2023 wieder ein Pfingstfest in St. Gabriel abzuhalten, hat mich mit großer Freude erfüllt. Es war schön zu sehen, dass noch immer viele Menschen St. Gabriel als Ort schätzen, unsere Spiritualität teilen und sich mit uns verbunden fühlen!
Auch die St. Gabrieler Vortragsreihe hat sich in den letzten Jahren sehr gut entwickelt. Die Begegnungen mit Aktivist:innen aus den verschiedensten Bereichen, haben viele Menschen angesprochen und die Kontakte zu kirchlich engagierten Menschen im Umkreis von St. Gabriel intensiviert.

Große Freude über das Pfingstfest 2023 in St. Gabriel
Große Freude über das Pfingstfest 2023 in St. Gabriel
Ein Herzensanliegen von Franz Helm: Die St. Gabrieler Vortragsreihe, bei der er Menschen begrüßen konnte, die für eine Sache "brennen"  – wie hier die Klimaaktivistin Anna Kontriner.
Ein Herzensanliegen von Franz Helm: Die St. Gabrieler Vortragsreihe, bei der er Menschen begrüßen konnte, die für eine Sache "brennen" – wie hier die Klimaaktivistin Anna Kontriner.

Was sind deine persönlichen Lieblingsplätze in St. Gabriel?
Einer meiner liebsten Plätze in St. Gabriel ist der Teich im Südpark. Wenn ich bei meinen Walking-Runden dort vorbeikomme und sich der Turm des Missionshauses im Wasser spiegelt, das ist schon sehr schön.
Immer mehr lerne ich unsere Kirche zu schätzen! Inhaltlich steckt in dem Bau sehr viel an Symbolik für die Geschichte der SVD und unsere Spiritualität – Gottes Geist, der ruft und sendet. Besonders angetan hat es mir das Mosaik im Hochchor, das eine Weltkarte zeigt, die vom Regenbogen umfangen wird. Es ist faszinierend, dass es schon vor dem 1. Weltkrieg diese gläubige Sicht gab: „Gott meint es gut mit seiner GANZEN Schöpfung“.

Ein Lieblingsplatz in St. Gabriel: Das Bodenmosaik im Hochchor der Heilig-Geist-Kirche. Es zeigt eine Weltkarte, die von einem Regenbogen umfangen wird.
Ein Lieblingsplatz in St. Gabriel: Das Bodenmosaik im Hochchor der Heilig-Geist-Kirche. Es zeigt eine Weltkarte, die von einem Regenbogen umfangen wird.

Was wünscht du St. Gabriel für die Zukunft?
Ich wünsche mir, dass das neue Konzept der „Lebenswelten“ St. Gabriel fit für die Zukunft macht. Es ist eine große Freude über den Campus zu gehen und diese belebende Vielfalt zu sehen, die hier an Betrieben, Büros und Werkstätten entstanden ist. Es herrscht eine positive Stimmung und die Menschen schätzen St. Gabriel als Arbeitsplatz.
Außerdem hoffe ich, dass St. Gabriel weiterhin als Alterssitz der Mitteleuropäischen Provinz erhalten bleibt, ein Ort, an dem sich die Mitbrüder wie bisher umeinander kümmern. Und ich wünsche St. Gabriel, dass es seinen guten Geist bewahrt, seine Offenheit für das Wirken Gottes in den Menschen.

Fällt dir der Abschied als Rektor schwer?
Ich bin sehr dankbar, dass die Suche nach einem Nachfolger so unkompliziert war und P. Franz Pilz JA zu dieser Aufgabe gesagt hat. Am Rektor bleiben viele kleine Dinge hängen. In letzter Zeit habe ich gemerkt, dass es mir zunehmend schwerfiel, die Geduld und Spannkraft dafür aufzubringen, wenn ich mitbekomme, dass rundherum die Welt brennt. Ich bin also froh, jetzt weniger an das Haus gebunden und frei für andere Aufgaben zu sein.

Welche neuen Aufgaben warten auf dich?
Ich werde weiterhin in St. Gabriel wohnen und versuchen, als Verantwortlicher für den Bereich „Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung“ (GFS) in der Provinz Akzente zu setzen. Ich habe mich ja schon bisher, z.B. bei Religions for Future, für Klimagerechtigkeit und Schöpfungsspiritualität eingesetzt. Es wird ein eigenes Team geben, zu dem auch Br. Emanuel Huemer, P. Georg Ziselsberger und P. Stephan Dähler als Leiter der Missionsprokur gehören. Wir wollen uns mit Menschen verbinden, die sich für ein gutes Leben für alle einsetzen.

Den Einsatz für Klimagerechtigkeit lebt P. Franz Helm auch ganz konkret: Fast alle notwendigen Wege erledigt er mit dem Fahhrad oder den Öffis.
Den Einsatz für Klimagerechtigkeit lebt P. Franz Helm auch ganz konkret: Fast alle notwendigen Wege erledigt er mit dem Fahhrad oder den Öffis.

Danke für das Gespräch, für dein Wirken als Rektor und Gottes Segen für deine neuen Aufgaben!
Interview: Ursula Mauritz

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