Frag einen Pfarrer – frag einen Imam

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15. Dez 2023

Im Interview für die Pfarrzeitung „Dreiklang“ sprechen Pfarrer P. Matthias Felber SVD und Imam Ramazan Demir über ihr Engagement für den interreligiösen Dialog.

Imam Ramazan Demir und Pfarrer P. Matthias Felber SVD

Schon bei der Begrüßung merkt man, da treffen sich zwei Menschen, die sich kennen und mögen. Es wird gescherzt, gelacht und diskutiert, wo man den besten Döner im 10. Bezirk essen kann. Matthias Felber SVD, katholi¬scher Pfarrer, geht gerne Döner essen und Ramazan Demir, muslimischer Imam mit türkisch-deutschen Wurzeln, hat in Wien seine Liebe zu halal Schnitzel entdeckt.

Ihr seid gemeinsam Referenten bei einer Fortbildung für Religionslehrer:innen verschiedener Religionen, die den Titel „Frag einen Pfarrer – Frag einen Imam“ trägt. Welche Erfahrungen habt ihr dabei gemacht?
P. Matthias Felber: Das war eine sehr schöne Erfahrung. Ich war vorher etwas unsicher, war aber positiv überrascht. Die Menschen waren sehr interessiert und wollten viel über die andere Religion wissen.
Ramazan Demir: Was für uns einfache Basics sind, ist für Menschen anderer Religionen neu und spannend. Die muslimischen Teilnehmer:innen waren begeistert von Matthias, weil er so offen im Gespräch war. Wir haben über Unterschiede und Gemeinsamkeiten reflektiert und erkannt, dass es wichtig ist zu unterscheiden zwischen Religion und Tradition oder zwischen Religion und einzelnen Religionsanhängern.

Ihr seid beide im interreligiösen Dialog tätig. Warum ist euch das wichtig?
Ramazan Demir: Weil ich hier in Öster¬reich lebe. Ich lebe nicht nur unter Muslimen. Meine Nachbarn sind vor allem christlich geprägt. Und wir haben in Wien eine kleine jüdische Gemeinde. Wenn wir nicht nur nebeneinander, sondern miteinander leben wollen, dann müssen wir ein¬ander kennenlernen. Wir können es nur gemeinsam schaffen, Ängste und Vorurteile abzubauen. Der Glaube an Gott verbindet Christen und Muslime. Das Wort Allah heißt ja übersetzt einfach Gott. Wie wir an Gott glauben, ist vielleicht unterschiedlich, aber dass wir an Gott glauben, ist das Verbindende.
Matthias Felber: In der Ausbildung der Steyler Missionare in St. Gabriel war das Studium der anderen Religionen sehr wichtig. Ich hatte einen Mitbruder, der im christlich-muslimischen Dialog sehr aktiv war. Da wurde mein Interesse geweckt. In den mehr als sieben Jahren, die ich in Ghana gelebt habe, hatte ich viele Freunde, natürlich auch muslimische. In Ghana leben Christen, Muslime und traditionell Glaubende friedlich miteinander. Als ich dann in Wien, in Favoriten gelandet bin, war es sofort klar, dass ich bei der interreligiösen Dialoggruppe Favoriten mitmache.

Im interreligiösen Dialog muss man sich in die Perspektive eines anderen Menschen, seines Denkens und Handelns hineinversetzen. Was braucht es, damit das gelingen kann?
Ramazan Demir: Offenheit, Optimismus, Mut und Empathie. Man muss einfühlsam sein, um zu verstehen, warum jemand so oder so handelt.
Als meine Mutter aus der Türkei nach Deutschland kam, hatte sie keinen Kontakt zu den Nachbarn. In der Türkei ist das kulturell so üblich, dass alle Nachbarn kommen, um die neu Eingezogenen zu begrüßen. In Deutschland ist es aber umgekehrt. Da stellen sich die Neuen bei den Nachbarn vor. Und so haben alle monatelang gewartet und sich gedacht, dass die anderen unhöflich sind. Wenn man aber selbst den ersten Schritt macht, kann man Missverständnisse aufklären.
Matthias Felber: Ich muss wissen, dass meine kleine Welt nicht die ganze Welt ist. Wenn ich das erkannt habe, dann tun sich neue Türen auf, dann kann ich mich nicht mehr verschanzen. Ich stelle mich deshalb auch gegen Aussagen, wo geschimpft wird über Muslime. Die Welt ist viel größer, Gott ist viel größer.

Was habt ihr durch eure Begegnungen mit Menschen anderer Religionen gewonnen?
Ramazan Demir: Ich habe dadurch viele Freunde gewonnen, die dann auch mit mir solidarisch sind, wenn der Islam pauschal verurteilt wird. Ich erlebe Wertschätzung und Anerkennung.
Matthias Felber: Ich denke auch zuerst an Freundschaften und Bekanntschaften. Theologische oder spirituelle Gespräche mit Muslim:innen bereichern mich aber auch in meinem Glaubensverständnis und Gotteszugang.

Ramazan Demir ist Imam, Religionspädagoge und Ehrenvorsitzender der islamischen Gefängnisseelsorge.
Ramazan Demir ist Imam, Religionspädagoge und Ehrenvorsitzender der islamischen Gefängnisseelsorge.
P. Matthias Felber ist Steyler Missionar und Pfarrer der Pfarre Zum Göttlichen Wort in Wien-Favoriten.
P. Matthias Felber ist Steyler Missionar und Pfarrer der Pfarre Zum Göttlichen Wort in Wien-Favoriten.

Gibt es auch Dinge, die euch irritieren oder befremden?
Ramazan Demir: Für mich ist das irritierend, dass katholische Priester nicht heiraten. Ich musste am Anfang aufpassen, dass ich nicht nach Frau und Kindern frage oder zu viel von meiner Familie erzähle.
Matthias Felber: Wenn manche muslimische Frauen mir als Mann nicht die Hand geben wollen, dann ist das schon anfangs irritierend. Ich bin da auch vorsichtig.
Ramazan Demir: Dabei ist das dann gar nicht bös gemeint, sondern nur ein anderer kultureller Zugang.

Worauf achtet ihr in der Begegnung mit Menschen anderer Religionen besonders?
Matthias Felber: Ich kann nicht davon ausgehen, dass der andere weiß, wovon ich rede. Da muss ich schon mehr aufpassen, wie ich etwas formuliere
Ramazan Demir: Wenn ich jüdische Freunde zu Gast habe, schaue ich bewusst, dass es etwas Koscheres zum Essen gibt und weiß schon, welche Kekse ich im Supermarkt kaufen kann.

Warum lohnt es sich, sich auf diese Begegnungen einzulassen?
Ramazan Demir: Weil es mir dann persönlich besser geht. Wir tun damit auch etwas Gutes für die Gesellschaft und für die Menschen.
Matthias Felber: Es ist einfach eine Bereicherung. Was ich geschenkt bekomme an Freundschaften, an anderen Perspektiven und Zugängen zu Gott und der Gesellschaft. Es ist nie ganz einfach, aber es ist die Mühe wert, sich auf den Weg zu machen.
Ramazan Demir: Zusammenleben ist immer eine Herausforderung, sogar in der eigenen Familie. Aber wir sind stolz, weil Österreich ein Modellland in Europa ist im Sinne des gegenseitigen Respekts und der Gleichberechtigung aller Religionen.
Matthias Felber: Man muss immer dagegenhalten, wenn Vorurteile laut werden.
Dafür habe ich mich entschieden, weil ich an ein gutes Miteinander glaube. Ich glaube, dass es möglich ist, gemeinsam in Österreich in der Vielfalt der Kulturen zu leben.

Text und Fotos: Karin Hermetschläger-Miesbauer
Aus: Dreiklang 4/23, Pfarrzeitung der Pfarre Zum Göttlichen Wort

Zur Person

Ramazan Demir ist Imam, Religi¬onspädagoge und Ehrenvorsitzender der islamischen Gefängnisseelsorge. Er ist Hochschullehrer und Fortbil¬dungsleiter am Institut islamischer Religion an der KPH Wien

P. Matthias Felber SVD gehört dem Orden der Steyler Missionare an, arbeitete sieben Jahre in Ghana als Seelsorger und ist jetzt Pfarrer der Pfarrer Zum Göttlichen Wort in Wien-Favoriten.

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