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24. Apr 2023
Am 1. Mai 2023 übernimmt P. Christian Stranz SVD die Leitung der Mitteleuropäischen Provinz. Im Interview erzählt der Steyler Missionar von seinem Werdegang und welche Schwerpunkte er als Provinzial setzen möchte.
In einigen Tagen werden Sie als Provinzial zusammen mit dem neuen Provinzrat die Leitung der Mitteleuropäischen Provinz übernehmen. Mit welchen Gefühlen blicken Sie der neuen Aufgabe entgegen?
Da ist zunächst ein bisschen ein mulmiges Gefühl – schließlich ist das Amt des Provinzials eine neue Aufgabe, die ich noch nie gemacht habe. Worauf muss man achten, welche Entscheidungen sind zu treffen? Diese Fragen werden mich zunächst beschäftigen. Außerdem war ich jahrelang weit weg von vielen Institutionen, viele Mitbrüder in der Provinz kenne ich nur von kurzen Begegnungen.
Ich freue mich, wieder nach St. Gabriel zurückzukommen, wo meine Geschichte mit den Steyler Missionaren begonnen hat, bin ich mir aber bewusst, dass sich St. Gabriel in den letzten Jahren sehr verändert hat und ganz anders ist als damals, als ich hier studiert habe.
Provinzial zu sein ist keine leichte Aufgabe. Was hat Sie dennoch bewogen, das Amt zu übernehmen?
Ein Grund warum, ich ja gesagt habe, ist sicher mein Verantwortungsgefühl dem Orden und meinen Mitbrüdern in der Provinz gegenüber. Ich war jetzt schon einige Jahre Mitglied im Provinzrat, daher habe ich gewusst, dass die Anfrage an mich kommen könnte, dieses Amt zu übernehmen. Ich habe mich also schon länger damit auseinandergesetzt und deshalb auch ein Sabbatjahr erbeten, um nach der langen Zeit in der Pfarrseelsorge in Dornbirn eine Auszeit zu nehmen, bevor ich eine neue Aufgabe beginne.
Alle, die Sie noch nicht so gut kennen, interessiert die Biographie des neuen Provinzials: Wann und warum haben Sie sich entschieden Priester zu werden? Und warum sind Sie gerade in die „Gesellschaft des Göttlichen Wortes“ (SVD) eingetreten?
Ich bin mit vier älteren Geschwistern in einer katholischen Familie in Neusiedl am See (Burgenland) aufgewachsen. Meine Mutter war in der Pfarre und in der Katholischen Frauenbewegung engagiert und ich habe schon vor der Erstkommunion begonnen zu ministrieren. In der Pubertät ist dann der Wunsch entstanden, Priester zu werden. Ich bin nach der Unterstufe extra vom Gymnasium in meiner Heimatstadt ins bischöfliche Knabenseminar nach Mattersburg gewechselt, um dort Altgriechisch zu lernen, weil ich wusste, dass ich das fürs Theologiestudium brauche.
Mir wurde bald klar, dass ich mein Priestersein lieber in einer Gemeinschaft leben möchte. Ich habe verschiedene Orden angeschrieben, mich informiert und um ein Zeichen gebeten. Ausschlaggebend dafür, dass ich mich dann für die SVD entschieden habe, war der persönliche Kontakt zu einem Steyler Missionar. Dass dieser sich nach Jahren an mich erinnert hat, nach mir gefragt hat, das hat mich sehr beeindruckt.
Ein Missionseinsatz hat Sie nach Argentinien geführt. Was haben Sie von dort für Ihr weiteres Leben mitgenommen?
Ich war insgesamt acht Jahre in Argentinien, zunächst in einer Großstadtpfarre, in der ich als Kaplan viel selbst gestalten konnte und danach Pfarrer in einer riesigen Landpfarre mit 30 Außenstationen. Die Provinz Misiones ist quasi meine „erste Liebe“: Mein erster Arbeitsplatz, an dem mir eine ungeheure Herzlichkeit und Begeisterung entgegengeschlagen ist.
Sie waren fast 20 Jahre Pfarrer und Moderator in Dornbirn. Welche Akzente haben Sie dort gesetzt? Wie haben Sie Ihr „Steylersein“ in die Pfarrarbeit eingebracht?
Nach meiner Rückkehr aus Argentinien war ich zunächst in der Diözese Feldkirch in der Jugendarbeit tätig und Kaplan in der Pfarre Dornbirn-Hatlerdorf. Später habe ich die Leitung der Pfarre übernommen. Ich habe viele Beziehungen geknüpft, bin in den Familien und Häusern zu Gast gewesen. Ein besonderes Anliegen war mir die Männerpastoral: Ich habe Exerzitien im Alltag speziell für Männer angeboten, später entstand auch eine eigene Männergruppe. Ein anderes Thema, das mir am Herzen liegt, ist die Bewahrung der Schöpfung. Ich habe versucht verschiedene Impulse zu setzen, z.B. mit der jährlichen Tiersegnung, der Radwallfahrt, Vorträgen und dem Umstellen auf Nachhaltigkeit in der Heizung von Pfarrhaus, -heim und Kirche, sowie beim Thema Einkauf und Feste.
2014 entstand der Seelsorgeraum „Katholische Kirche in Dornbirn“. Das bedeutete neue Herausforderungen: Ich übernahm auch die Pfarre St. Martin, die Gemeindeleitungen wurden von Laien übernommen, ich war das „zweite Gesicht“ dazu. Ich war viel mehr unterwegs, das Beziehungsnetz wurde loser. Meine Aufgabe als Pfarrmoderator sah ich vor allem darin, die Gemeindeleiter:innen zu unterstützen und die Rollenveränderung zu fördern. Ich glaube, dieser Rollenwechsel und das Zusammenwachsen der Gemeinden in Dornbirn sind in den vergangenen zehn Jahren gut gelungen.
Mein Steylersein habe ich nie extra betont, sondern eher durch mein persönliches Zeugnis gelebt. Aber da ich immer wieder Mitbrüder für Messen und Predigten eingeladen habe, haben die Pfarrmitglieder mitbekommen, wer die Steyler sind und was sie machen. Im Sommer wird die Pfarrwallfahrt nach St. Gabriel führen. Ich freue mich, den Menschen aus Dornbirn meinen neuen Arbeitsplatz zu zeigen.
Wie schwer fällt Ihnen der Abschied aus Dornbirn?
Es stimmt mich schon melancholisch, wenn ich mir vor Augen halte, das war die letzte Taufe oder die letzte Erstkommunionfeier als Pfarrer in Dornbirn. Ich habe im Laufe der Jahre ein großes Netz an Beziehungen aufgebaut, das wird sich jetzt lockern, auch wenn es bestimmt die Gelegenheit geben wird, auf meinen Reisen dann und wann in Dornbirn vorbeizuschauen. Was ich bestimmt vermissen werde, ist die traumhafte Landschaft in Vorarlberg, die Berge, der See, eine perfekte Lage für viele Freizeitaktivitäten.
Aber ich gehe auch mit leichtem Herzen, weil ich weiß, dass meine jungen Mitbrüder die Arbeit der Steyler im Seelsorgeraum Dornbirn gut weiterführen und sie von den Menschen in den Pfarren sehr geschätzt werden. Die Mitbrüder sind zu einer Gemeinschaft zusammengewachsen. Sie treffen sich gerne, die gemeinsame Gebetszeit in der Früh, das Bibelteilen und der Gemeinschaftsabend sind ihnen wichtig. Das freut mich sehr!
Welche besonderen Herausforderungen warten auf Sie und den neuen Provinzrat in den nächsten Jahren? Worauf möchten Sie den Fokus legen?
Eine Hauptaufgabe ist, die jungen Mitbrüder zu begleiten, die aus anderen Kontinenten kommen, damit sie die Realität unserer säkularen Gesellschaft aushalten. Diese jungen Männer stammen aus afrikanischen Ländern oder aus Indonesien, wo das Christentum boomt und erleben hier in Mitteleuropa leere Kirchen oder vorwiegend alte Menschen in den Gottesdiensten. Das ist ein Kulturschock!
Die Mitbrüder, die schon länger in unserer Provinz sind, möchte ich ermutigen und dabei unterstützen, sich in der kategorialen Seelsorge einzubringen, z.B. in der Jugend- und Krankenhauseelsorge, in der Begleitung von Migranten oder in der Bibelarbeit. Wir stehen als SVD vor der Herausforderung, dass es neue Formen und Methoden braucht, um auch für Menschen da zu sein, die kaum oder gar keinen Bezug zur Kirche haben.
Am Anfang meiner Amtszeit möchte ich bald einmal die einzelnen Gemeinschaften und Mitbrüder besuchen, damit wir uns besser kennenzulernen.
Ein besonderes Anliegen ist mir die Pflege des Zusammenlebens in den Niederlassungen, für die sich auch das letzte Generalkapitel ausgesprochen hat. Hier ist sicher noch Luft nach oben. Ich glaube das kann nur gelingen, wenn man fixe Zeiten für die Gemeinschaft einplant. Es braucht die Gemeinschaft, damit man sich wohlfühlt und so etwas wie Nestwärme spürt.
Wie sehen Sie Ihre Rolle als Provinzial?
Vom Typ her bin ich eher ein Teamplayer. Während meiner Zeit als Moderator im Seelsorgeraum Dornbirn bemühte ich mich, die Mitarbeiter:innen arbeiten zu lassen und nicht dauernd dreinzureden. Auch als Provinzial wird es mir wichtig sein, auf andere zu hören und zu fragen, wie siehst du das, um gute Entscheidungen zu treffen.
Welche Rolle spielt die SVD in der Kirche und Gesellschaft in Ö und der CH? Was können bzw. was sollten die Steyler mit ihrem Ordenscharisma beitragen? Was ist ihre spezielle Mission hier in Mitteleuropa?
Die Steyler Missionare werden in allen Diözesen, in denen wir arbeiten, sehr geschätzt. Das Besondere unseres Ordenscharismas ist unsere Internationalität. Aber auch das Fachwissen und die Expertise einzelner Mitbrüder in Missions- und Religionstheologie, im Dialog mit anderen Kulturen und Religionen sowie im Bereich Schöpfungsverantwortung waren und sind gefragt. Hier sollten wir wieder stärker werden.
Die spezielle Mission der Steyler ist es, an die Ränder zu gehen, dorthin, wohin andere nicht gehen, zu den Armen, Ausgegrenzten, den Nicht-Mehr-Glaubenden. In Europa kann das zum Beispiel die Sorge um Migranten und geflüchtete Menschen sein. Allerdings braucht es dafür Mitbrüder, die Interesse und Freude an dieser Aufgabe haben, das kann man nicht von oben verordnen. Und auch über das „WIE“ dieser Mission gibt es keine klaren Bilder.
Woher holen Sie sich die Kraft für Ihre Aufgaben? Was machen Sie gern in Ihrer Freizeit bzw. zum Ausgleich?
Kraft finde ich im Glauben, im Gebet, in der Stille und Meditation, aber auch im Austausch mit Mitbrüdern und Freund:innen. Auch in der Natur, beim Radfahren, Bergsteigen und Schwimmen tanke ich auf. Ich möchte auch als Provinzial versuchen, einen regelmäßigen freien Tag fix einzuplanen. Denn ich glaube, wer nicht auf sich selbst schaut, kann auch nicht auf andere schauen.
Gibt es ein Bibelwort, das Ihnen besonders viel bedeutet?
Mein Primizspruch. Er lautet: „Die Freude im Herrn ist eure Stärke.“ (Neh 8,10). Aber auch „Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“ (Joh 1, 14) ist mir wichtig. Dass Gott im Menschen spürbar wird, ist die Grundlage für unsere Steyler Spiritualität.
Arnold Janssen und Josef Freinademetz sind die Steyler Heiligen. Was beeindruckt Sie an ihren Biographien?
An Arnold Janssen finde ich bemerkenswert, dass dieser einfache Mann, der nicht mit besonderen Talenten gesegnet war, so ein Gottvertrauen hatte und so zäh war, dass er sich in seinem Vorhaben, eine Missionsgesellschaft zu gründen, nicht beirren ließ. Dass er so ein Werk auf die Beine stellte und so viele Menschen für seine Sache begeistern konnte.
Zu Josef Freinademetz habe ich eine besondere Beziehung, weil ich öfter in seinem Geburtsort Oies gewesen bin und im Rahmen einer Pilgerreise nach China an seinen Wirkungsorten war. An ihm beeindruckt mich seine Bereitschaft zum Kulturschock. Auch dort das Gute in den Menschen zu sehen, wo ihm Ablehnung und Hass entgegengeschlagen ist. Sein Satz „Die Sprache der Liebe ist die einzige Sprache, die alle Menschen verstehen“ bringt das gut zum Ausdruck.
Danke für das Gespräch und viel Freude und Gottes Segen für Ihre neue Aufgabe!
Interview: Ursula Mauritz
Zur Person
Christian Stranz wurde am 8. März 1966 in Eisenstadt geboren und ist in Neusiedl am See (Burgenland) aufgewachsen. Er besuchte zunächst das Gymnasium in seiner Heimatstadt, in der Oberstufe wechselte er ins Bischöfliche Knabenseminar Mattersburg, wo er 1984 maturierte.
1984 trat er in die „Gesellschaft des Göttlichen Wortes“ (Societas Verbi Divini - SVD) ein, es folgten Noviziat und erste Gelübde im Missionshaus St. Gabriel in Maria Enzersdorf bei Wien sowie das Theologiestudium an der dortigen ordenseigenen Theologischen Hochschule.
Die Ewigen Gelübde legte Pater Stranz 1991 in St. Gabriel ab, 1992 wurde er dort zum Priester geweiht.
Von 1992 bis 2001 absolvierte Pater Stranz einen Missionseinsatz in Argentinien. Nach seiner Rückkehr nach Österreich arbeitete er in der Jugendpastoral der Diözese Feldkirch. 2004 wurde der Steyler Missionar Pfarrer in Dornbirn-Hatlerdorf, 2014 übernahm er auch die Pfarre Dornbirn-St. Martin. Nach der Zusammenlegung der Dornbirner Pfarren zum Seelsorgeraum „Katholische Kirche in Dornbirn“ wurde Pater Stranz 2019 Moderator des Seelsorgeraums. Seit 2016 ist Christian Stranz Mitglied des Provinzrates der Mitteleuropäischen Provinz der Steyler Missionare.